Im «normalen» Leben arbeitet Pascale Widmer als Pflegefachfrau Intensivpflege Neonatologie am Kantonsspital Winterthur KSW. Von November 2023 bis April 2024 war sie mit dem Swiss Laos Hospital Project als Freiwillige in den Provinzspitälern in Phonsavan, Sam Neua und Luang Namtha im Einsatz. Hans Ulrich Bucher hat mit ihr über ihre Arbeit und ihre Eindrücke gesprochen.

Was hat dich dazu bewogen, unbezahlten Urlaub zu nehmen um nach Laos zu gehen?

Ich habe bei Médecins sans Frontières ein aufwendiges Auswahlverfahren durchlaufen – doch dann gab es kein Angebot für meine Qualifikation. Deshalb habe ich auf eigene Initiative einen Einsatz in Laos geplant, wo ich bereits früher tätig war. Wegen der Pandemie bestand dort ein grosser Nachholbedarf. Meine Pläne wurden sowohl von der Pflegeleitung am KSW also auch vom SLHP unterstützt.

Wie hast Du Dich auf diesen Einsatz vorbereitet?

Ich habe als Ergänzung zu meinem Diplom als Pflegefachfrau Intensivpflege (zuerst Erwachsene, später Neonatologie) ein CAS für internationale Zusammenarbeit und globale Gesundheit am Schweizerischen Tropeninstitut Basel absolviert. Im Sommer 2023 habe ich unbezahlten Urlaub eingegeben, Krankenkasse und Versicherungen geregelt und bin mit Personen in Laos, die ich bereits von früheren Aufenthalten kannte, in Kontakt getreten.

Wo warst Du im Einsatz?

In den drei Provinzspitälern in Sam Neua, Luang Namtha und Phonsavan. Ich habe jeweils ein paar Wochen in einem Spital gearbeitet und bin dann via Vientiane ins nächste Spital gereist.

Das neue Provinz-Spital Sam Neua
Der Haupteingang des neuen. von der vietnamesischen Regierung erbauten Provinzspitals Sam Neua, das derzeit schrittweise bezogen wird.

Was waren Deine wichtigsten Aufgaben?

Ich habe in erster Linie das Medizinalpersonal im Bereich Hygiene und Ernährung bei Neugeborenen geschult. Ausserdem habe ich vermittelt, wie man einfache medizinische Hilfsmittel zur postnatalen Anpassung, zur Atemunterstützung und zum Ernährungsaufbau nutzen kann. Auch Lagerungstechniken habe ich instruiert. Weitere Schwerpunkte waren das Still-Management, die Patientenüberwachung und die Dokumentation.

Wie bist Du empfangen worden?

In allen drei Spitälern wurde ich mit offenen Armen und herzlich empfangen. Es gelang mir, das Vertrauen der Pflegenden und Ärzt:innen zu gewinnen. So konnte ich bei Bedside Teachings Verbesserungsvorschläge anbringen, die gerne befolgt wurden.

Wie hast Du Dich mit dem laotischen Personal verständigt?

Die Laoten sprechen wenig Englisch. Deshalb hatte ich bereits in früheren Aufenthalten begonnen, etwas Laotisch zu lernen. Ich habe diese Kenntnisse laufend verbessert, so dass ich auch einfachen Diskussionen folgen konnte. Wenn ich gar nicht mehr weiter wusste, habe ich mit Hilfe von Google Translator, Zeichensprache oder Piktogrammen eine Lösung gefunden.

Hast Du auch mit andern Freiwilligen aus der Schweiz zusammengearbeitet?

Ja, ich war zusammen mit Karin Götz und Ingrid Rohrbach in Luang Namtha und mit einem ganzen Team aus dem KSW in Phonsavan. So war ich nicht die ganze Zeit allein, und diesen Austausch habe ich sehr geschätzt.

Bist Du während Deines Einsatzes nie selbst erkrankt?

Doch, einmal hat es mich voll erwischt mit einer Lebensmittelvergiftung. Davon abgesehen hatte ich aber nur Erkältungen und banale Magen-Darm-Geschichten.

Instruktion eines neuen Beatmungsgerätes
Instruktion eines neuen Beatmungsgerätes (Bubble-CPAP)

Auf welche Erfolge bist Du besonders stolz?

Im Sam Neua konnte ich ein Gerät zur Atemhilfe bei Neugeborenen (Bubble CPAP), das auf meinen Antrag vor Ort beschafft wurde, zusammen mit Firmenvertretern in Betrieb nehmen und seine Anwendung instruieren. Davon abgesehen konnte ich viele Hinweise geben, wie man die Hygiene verbessert, beispielsweise durch das Sammeln von gebrauchten Spritzen in besonderen Behältern. Und wir konnten mehrere Baby-Badwannen, eine Baby-Waage, ein Otoskop und weiteres Material abgeben.

Welche Einzelschicksale haben Dich besonders betroffen gemacht?

In Sam Neua brachten die Eltern Lekeng, ein 10 Tage altes Frühgeborenes (Geburtsgewicht 1300 g, 30 Schwangerschafts-Wochen) ins Spital. Er war unterküht, dehydriert und apathisch. Mit Infusionen und langsamem Nahrungsaufbau konnte er aufgepäppelt und nach 4 Wochen mit einem Gewicht von 1900 g nach Hause entlassen werden. Sein weiteres Schicksal ist mir nicht bekannt. Seine Eltern, die der ethnischen Minderheit der Hmong angehören, haben sich trotz mehrmaliger Aufforderung für eine Nachkontrolle nicht mehr gemeldet.

In Luang Namtha wurde ein dreijähriges Mädchen in schlechtem Allgemeinzustand mit Petechien und Blutungen im Mund ins Spital gebracht. Dort wurde die Diagnose einer Leukämie gestellt. Ein konsultierter Onkologe schätze die Überlebenschance auf 60 Prozent und erstelle einen Behandlungsplan. Da die Eltern kein Geld hatten, um eine solche Chemotherapie zu bezahlen, startete ich eine Sammlung über WhatsApp und brachte so 1’600 Franken zusammen, womit mindestens eine Behandlung begonnen werden konnte. Das weitere Schicksal dieses Mädchen ist jedoch ungewiss.

Was hat Dich belastet?

Die Tatsache, dass wir einige Frühgeborene und an Infektionen erkrankte Neugeborene mangels geeigneter Therapie verloren haben. In der Schweiz hätten diese überlebt.

Schwierig war für mich auch, dass Eltern ihre Kinder manchmal im Spital zurücklassen, weil sie die Behandlung nicht bezahlen können. Dies passiert insbesondere bei Frühgeborenen, die längere Zeit im Spital bleiben müssen. Wie verzweifelt müssen solche Eltern sein, um einen solchen Schritt zu tun! Glücklicherweise fanden wir Pflegefamilien, die bereit waren, diese Kinder später zu adoptieren.

Materialspenden werden begutachtet
Materialspenden werden vom medizinischen Personal ausgepackt und begutachtet.

Wenn Du 10’000 Franken von einem Sponsor erhalten würdest: Wie würdest Du eine solche Spende einsetzen?

Ich würde Transportmittel zur Verlegung von kranken Neugeborenen in ein Zentrumspital fördern, im Idealfall eine laotische Rega.

Dann würde ich in erster Linie die Schulung von Pflegenden und Ärzt:innen vor Ort fördern. Ich würde auch medizinische Geräte beschaffen, und zwar möglichst dieselben für alle Spitäler, und zudem solche, die auch in Laos repariert werden können.

Und schliesslich würde ich damit die Behandlung von einzelnen Kindern finanzieren, die Aussicht auf eine gute Lebensqualität haben.

Wie sind Deine weiteren Pläne?

Ich beabsichtige, im Jahr 2025 wieder mindestens vier Wochen unbezahlten Urlaub zu nehmen, um die begonnene Arbeit in den drei Spitälern weiterzuführen. Ich will, dass sich die Versorgung von Neugeborenen in Laos nachhaltig verbessert.